Der Geruch des Zwerges – Teil 1: Der Schmerz der Einsamkeit

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Altsommer IV-1420

Am Morgen schien die junge Herbstsonne durchs Fenster, auf das Bett.
»Hmm …«, knurrte Vartan und kniff die geschlossenen Augen zusammen. Er wedelte mit seiner Rechten im Gesicht herum, dann drehte er sich auf die Seite und zog die Decke über seinen Kopf.
Phöbus drehte sich ebenfalls auf die Seite. Die Gedanken kreisten wild um ihn herum. Er muss bald aufstehen, die Nacht, durch die er sich quälte, war vorbei. Da spürte er, wie Vartan mit seinem Finger ihn sanft über die Wirbelsäule strich. Phöbus drehte sich auf die andere Seite und schaute in die Augen seines Freundes.
»Müssen aufstehen oder?«, gähnte Vartan.
Phöbus nickte.
»Was ist los?«
Phöbus zuckte mit der Schulter. »Nichts.«
»Kannst es nicht ertragen, wenn ich dich mal drei Tage allein lasse?!«
Phöbus grinste. »Warum nicht? Vielleicht bin ich froh, wenn du weg bist?«, log er.
Vartan feixte. »Ja klar, als ob du froh bist, wenn ich mal nicht bei dir bin.« Er streichelte mit dem Finger über dessen Bauch und lächelte ihn an. Seine Zähne blitzten weiß auf. Er kroch auf Phöbus Seite und umarmte ihn. Dabei küsste er ihn am Hals, sodass sich dessen Haare aufrichteten. Er spürte einen Hauch im Ohr.
»Nicht«, bat er Vartan.
»Hast ja recht«, antwortete dieser. Dann richtete er sich auf. »Ich glaube, ich muss aufstehen. Muss Vormittag in Erzheim sein und die Stollenbahn kriegen.« Dann schaute er Phöbus an. »Brauchst keine Angst haben, ich komme ja wieder.«
Phöbus nickte, dann richtete auch er sich auf.

Vartan nahm den Rucksack und schulterte ihn. Dann ging er zur Tür. Phöbus folgte ihm. Sein Freund umarmte ihn ein letztes Mal und drückte ihn ganz toll. »Machs gut«, flüsterte er in dessen Ohr und streichelte ihn über den Rücken, sodass Phöbus ein Schauer überkam.
Phöbus sah Vartan verschwommen an, wie er in dessen Augen schaute. Dieser schüttelte den Kopf. »Komm, nicht flennen. Du siehst mich ja bald wieder. Lad paar Leute ein, feier mal richtig. Hast paar Tage sturmfrei.«
»Mach ich«, nickte Phöbus.

Nach dem Mittag ging Phöbus durch die Stadt. Er war auf dem Weg zum Waisenhaus. Er lief die Straße entlang, vorbei an vielen verschiedenen Geschäften. In der Ferne fielen ihm zwei Menschen auf. Einer davon trug denselben Rucksack wie Vartan. Phöbus lief ein Stück weiter, dann versteckte er sich in einer Seitengasse, zwischen den Häusern. Es war tatsächlich sein Freund.
Vartan und der Fremde gingen ein Stück. Phöbus verfolgte sie. Dabei duckte er sich hinter ein paar älteren Frauen, die sich herzlich amüsierten. Phöbus spürte in sich ein unwohles Gefühl aufkommen. Was macht Vartan da? Sollte er nicht längst in Erzheim sein?
Vartan und der Fremde lachten zusammen. Er boxte diesen mit der Faust vor den Oberarm. Sie brachen in schallendes Gelächter aus. Dann machte Vartan Grimassen, wie nur Phöbus sie von ihm kannte.
Warum macht er das mit einem Fremden?, fragte sich Phöbus. Die Hände hatte er zu Fäusten geballt. Am liebsten würde er zu dem gehen und ihn eine reinhauen. Genauso gern würde er Vartan die Leviten lesen.
Vartan drehte sich um und sah durch die Menschenreihen. Phöbus sprang hinter eine Mauer, die an einem Haus angrenzte. Dort kniete er sich hin. Sein Herz raste vor Wut. Er hoffte, dass Vartan ihn nicht gesehen hatte. Langsam kroch er hervor und sah die Straße entlang. Zwischen den vielen Beinen sah er Vartan nicht mehr. Dann stand er langsam auf. In der Ferne liefen die beiden aus der Stadt. Phöbus folgte ihnen.

Als sie an den Ställen der Stadt ankamen, drückten sich die beiden Männer. Vartan umarmte den Fremden und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie verabschiedeten sich. Vartan stieg auf Morgenstern und ritt den Weg nach Norden. Der Fremde blieb stehen und winkte dem Dieb hinterher. Erst, nach dem Vartan nicht mehr zu sehen war, ging dieser zurück in die Stadt, an Phöbus vorbei. Dessen Brust zog sich zusammen, die Hände ballte er zu Fäusten und überlegte, sich den Unbekannten zur Brust zu nehmen, entschloss sich aber, ins Waisenhaus zu gehen.

»… und dann haben sich die beiden noch umarmt und geküsst«, sagte Phöbus zu Harda, die eines der Betten im Schlafraum frisch bezog.
»Vielleicht ist es nur ein Freund von Vartan«, sagte das Mädchen mit den roten Zöpfen und den Sommersprossen.
Phöbus schüttelte den Kopf. »Ich kenne Vartans Freunde.«
Sie sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Du solltest nicht immer so misstrauisch sein. Wer weiß, wer das ist.«
Phöbus grunzte.
»Vartan liebt dich. Ich glaube nicht, dass da ein anderer ist.«
Phöbus sah mit starrem Blick auf den Boden und zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Was ist wenn?«
»Du solltest mit ihm reden.«
»Er ist erst in drei Tagen wieder da. Wie soll ich das aushalten?! Wir sind nächste Woche ein Jahr zusammen.«
»Kannst mir hier so lange helfen. Hier ist genug zu tun.« Sie zeigte auf die anderen Betten. »Die müssen frisch bezogen werden, die Dreckigen kannst du in der Waschküche im Kessel einweichen. Es wäre lieb von dir, wenn du noch in die Stadt gehst. Der Gemüsehändler und der Bäcker haben Lebensmittel für uns. Die müssen abgeholt werden.«
Phöbus nickte und zusammen mit Harda bezogen Sie die Betten frisch.

Phöbus ging durch die Stadt, er hatte die Sachen vom Bäcker und Gemüsehändler fürs Waisenhaus abgeholt. Die Taschen drückten auf seinen Schultern, die Leinen rissen tiefe Gruben in die Hände. Er blieb stehen, um sich kurz auszuruhen. Dabei drehte er sich um und sah in das Schaufenster eines Goldschmiedes. Dort lagen Ringe mit roten, blauen und grünen Steinen sowie goldene und silberne Diademe mit Diamanten und Saphiren. Die Schmuckstücke funkelten in allen Farben. Er schüttelte den Kopf. So was wollte er Vartan nicht schenken. Er schulterte wieder die Rationen, dann ging er am Theater vorbei, an dem er ein weiteres Mal stehen blieb. Dort hingen Plakate: Der Zigeuner und seine Frau, stand auf einem. Darunter: Ein Lustspiel in 3 Akten, da bleibt kein Auge trocken. Auf einem anderen stand: Der Schatz der Zwerge – nach einer Sage aus Erzheim. Darauf war ein Zwerg mit einem Helm in einem Stollen abgebildet, vor ihm eine geöffnete Schatztruhe, aus der ein goldener Schein strahlte.
Er lief weiter, das schwere Zeug auf seinen Rücken drückte ihn immer mehr zu Boden. Im Waisenhaus angekommen, brachte er diese zu Egon in die Küche. Dieser begutachtete alles und überlegte laut, was er damit machen könnte. Phöbus verabschiedete sich und ging zu seinen Eltern.

Der Junge betrat das Haus. Seine Mutter kam als Erstes an die Tür, um ihn zu begrüßen. Sie umarmte und drückte ihn. Dann wuschelte sie mit den Händen durch seine Haare. »Bist groß geworden«, sagte sie. Sein Vater gab ihm die Hand. Lorin, sein Bruder umarmte ihn. Die kleine Jovana sprang auf dem Boden rum. »Phöbi, Phöbi!«, rief sie und bat ihn, sie in den Arm zu nehmen. Phöbus ging an ihr vorbei. In der Küche stand Talma, die Zofe. Sie breitete ihre Pfoten aus und lächelte ihn mit ihrer Schnauze an. »Mein Junke«, sagte sie. »Schön, du bist wieder hier.« Dann umschlang sie ihn und er versank in dem weichen Fell der Volpure. Dort hatte er sich als Kind bereits gern rein gekuschelt.
»Was los?«, fragte sie, als sie ihn wieder losließ. »Machst Gesicht, wie zu Schneesturm in Volpa.«
Phöbus zuckte mit der Schulter.
»Haben so viel Essen hier.« Sie kniff ihn in den Bauch, Phöbus zuckte zusammen. »Musst mehr essen, du musst stark werden.« Da sah er den Tisch, gedeckt, mit vielen leckeren Sachen. Wurst, Käse, aus der Porzellanterrine mit dem Zwiebelmuster stieg eine Duftwolke auf, diese zog durch das ganze Haus. Der Flechtkorb quoll mit Brot und Brötchen über. Gläser mit Konfitüren aus Erdbeeren, Pfirsichen, Himbeeren und Waldfrüchten standen daneben. Es war wie im Schlaraffenland. Die Gerüche des Eintopfes und des frischgebackenen Brotes lagen ihm schwer in der Nase.
»Was los?«, fragte Talma ein weiteres Mal.
»Nichts.« Er blies durch die Backen.
Dann setzten sich alle auf ihre Plätze. Neben Phöbus nahm seine Mutter platz, daneben Jovana, die ihr Kinderbesteck sofort in die Hand nahm und »Ich habe Hunger!«, schrie. Die Mutter versuchte, das Kind zu beruhigen.
Phöbus kratzte mit dem Messer auf dem Teller, während er mit der Linken seinen Kopf abstützte.
»Er wird schon wiederkommen«, sagte seine Mutter.
Sein Vater holte tief Luft.
»Das ist es nicht«, antwortete Phöbus.
»Was ist es dann?«, fragte die Mutter, während sie Jovana ein Marmeladenbrötchen schmierte.
»… er hat sich mit einem anderen getroffen. Sie sind beide zusammen zu den Ställen gegangen und haben sich umarmt und geküsst.«
»Hab dir doch gesagt, dass der nichts taugt«, sagte Phöbus Vater.
»Musst du immer auf ihn herumhacken, ich weiß, dass du ihn nicht leiden kannst«, keifte Phöbus ihn an.
»Er ist ein Dieb, da ist es nicht schwer. Und wie du siehst, belügt er dich nur.«
Phöbus zuckte mit den Schultern.
Seine Mutter sah den Vater an und schüttelte den Kopf. Dann wanderte ihr Blick zu Phöbus. »Warte ab, wenn er nach Hause kommt, wird sich alles aufklären.«
Der Vater seufzte. »… oder nicht. Mal gucken, wann du mit Sack und Pack wieder hier vor der Tür stehst, weil er dich wegen eines anderen rausgeschmissen hat.«
»Er schmeißt mich nicht raus! Brauchst keine Angst zu haben, dass ich hier wieder einziehe.« Die Hand seiner Mutter griff nach seinem Arm. Phöbus richtete den Kopf auf. Sie zwinkerte ihn an. »Da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden.«
»In ein paar Tagen ist unser Einjähriges«, seufzte Phöbus. »Ich wollte mit ihm was unternehmen. Jetzt weiß ich nicht mal, ob er mich überhaupt noch liebt.«
»Wird sich rausstellen«, antwortete Talma, die mit ihrer Schnauze lächelte. »Wirst warten müssen, wie Mutter sagt. Wird paar Tage dauern.«
Phöbus seufzte. Er starrte das Essen auf dem Teller an. Ihm wurde übel, sein Magen zog sich zusammen.

Am nächsten Tag ging Phöbus in die Diebeszunft.
»Was machst du hier?«, begrüßte ihn Magnar auf dem Flur mit einer Tasse Kaffee in der Hand. Hinter ihm stand Kiara, die neugierig zuhörte.
»Ich wollte wissen, wo Vartan ist«, antwortete Phöbus.
»Hat er dir nichts gesagt?«, fragte Magnar mit gerunzelter Stirn.
»Ja schon, aber ich hatte ihn gestern Nachmittag auf der Straße gesehen, wie er sich mit einem anderen getroffen hat. Eigentlich hätte er da schon in Erzheim sein sollen.«
»Mach dir mal keinen Kopf, Vartan ist in Gneis. Er wird dort auch ein paar Tage bleiben. Er weiß, wenn er den Auftrag nicht erledigt, reiße ich ihn sein kleines Köpfchen vom Hals.« Magnar zwinkerte und ging dann in sein Büro.
»Komm mit«, sagte Kiara zu Phöbus. Gemeinsam gingen sie in ihr Büro und schlossen die Tür hinter sich.
»Was ist denn passiert? Du bist ganz aufgewühlt«, fragte die Diebin.
»Ich habe gestern gesehen, wie Vartan sich mit einem anderen getroffen hat. Sie haben sich umarmt und geküsst.«
»Du glaubst, dass er bei dem ist?«
Phöbus nickte.
»Mach dir mal keine Sorgen, er ist, wie Magnar schon sagte, einen Auftrag in Gneis erledigen.«
»Was macht er dort eigentlich? Zu mir hat er nichts weiter gesagt.«
Kiara setzte sich in ihren braunen Ledersessel und legte die Beine mit den kniehohen weinroten Lederstiefeln auf den Tisch. »Ein Juwelier wurde ausgeraubt. Vartan soll die Sachen wiederfinden. Das wird paar Tage dauern, aber glaub mir, er kommt zurück.«
»Bald ist unser Einjähriges. Ich wollte was mit ihm machen.«
»Das kannst du bestimmt. Bis dahin ist er wieder hier.«
»Er weiß wahrscheinlich nicht mal, dass wir ein Jahr zusammen sind.«
»Du bist aber auch ganz schön misstrauisch. Vielleicht bringt er dir ja was mit?«
»Meinst du?«
Sie lächelte ihn an.
»Hier ist nicht zufällig in den letzten Tagen ein blonder Mann, etwas kleiner als ich, mit Stoppelbart herumgelaufen?«
»Das ist der, oder?« Kiara zwinkerte ihm zu.
»Könnte ja ein Spitzel von euch sein.«
Sie schüttelte den Kopf. »So einer ist die letzten Wochen hier nicht herumgelaufen. Und wenn, dann sage ich es dir.« Sie zwinkerte ihm zu, dann sprang sie wie eine junge Gazelle auf. »Soll ich Magnar mal fragen, ob er was für dich tun kann?«
Phöbus schüttelte den Kopf. »Nein, lass mal. Ich will gleich Harda im Waisenhaus helfen.«
»Dann mach das. Du musst auf andere Gedanken kommen!«


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