Tag 3: Magieblitzen

47 vom Blattfall IV-1407

Mama weckte mich vorhin, indem sie mir leise ins Ohr flüsterte. Ich träumte, ich liege in meinem Bett und sie kommt mir näher, doch während ich langsam die Augen öffnete, saß sie neben mir.
»Wir müssen weiter«, sagte sie.
Wir haben noch etwas gegessen und getrunken. Papa fand ein paar Käfer, Würmer … und Spinnen. Ich mag Spinnen nicht. Und erst recht mag ich sie nicht essen. Sie sehen eklig aus und schmecken nicht.
»Wenn du nicht verhungern willst, musst du sie essen«, sagte Papa.
Ich habe mich noch nie vor Essen so geekelt, ich kniff mir die Augen zu, als ich sie herunter schluckte. Paupau grinste mich an. Seit unser Dorf angegriffen wurde, sah ich ihn zum ersten Mal lächeln.

Dann lief Papa an dem Bach entlang. Er schaute sich um. Mit der Hand rieb er sich an seiner Schnauze, seine Stirn war gerunzelt. Ich hörte ihn fluchen, wusste aber nicht warum.
Mama zeigte in eine der Richtungen, über das Wasser hinweg. »Wir müssen da lang«, rief sie zu ihm. Er winkte ab und schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete er. »Dort ist Osten. Dort können wir nicht hin. Wir müssen raus aus Volpa. Wir müssen weg von hier.«
Mama schaute zum Himmel. »Wir müssen der soln folgen, sie zieht nach Westen!«
Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht Westen, da ist Westen.« Er zeigte in die andere Richtung. »Wir müssen dorthin!«
Mama stampfte mit dem Fuß auf dem Boden. Sie guckte ernst. Mir wurde im Magen flau. Hatten wir uns verlaufen? Kommen wir gar nicht mehr hier raus?
»Wer von uns beiden war schon in den westlichen strani?«, schrie Paupau sie plötzlich an.
»Nur, weil du schon außerhalb Volpas warst, musst du mich nicht für bescheuert halten!«, schimpfte Mama zurück.
»Maumau! Paupau!«, schrie plötzlich Asiel.
Sie sahen ihn an. Maumau lief hin und nahm ihn auf den Arm. Mich packte sie an der Hand und riss mich mit sich. »Hier geht es nicht darum, wer recht und wer unrecht hat. Wir müssen fliehen, sie sind hinter uns und wenn wir hier weiter herumbrüllen, dann finden sie uns und werden uns jagen.«
Sie zerrte mich mit, riss mir fast meinen Arm aus. Mama stapfte über den Boden, das Laub wurde aufgewühlt. Papa rief hinter uns her, ich konnte ihn aber nicht verstehen.
Sie treckte mich durch den Bach, das kalte Wasser tat mir an den Füßen weh. Irgendwann konnte ich hören, wie es hinter uns raschelte. Ich drehte mich um und sah Paupau, der uns wütend folgte.

Wir kamen zu einem Dorf. Durch das Dickicht sah ich die schwarzen Baumstämme, aus denen es qualmte. Es roch nach verbranntem Holz. Papa stapfte an uns vorbei, Mama zog an seinem Arm, er befreite sich davon, ohne sie zu beachten. Er schlich sich zu den verkohlten Häusern.
Dann ging er geduckt an den Bauten vorbei und folgten ihm. Er drehte sich um, mir einem Wink bedeutete er, dass wir uns ducken sollen.

Das Atmen fiel mir hier schwer, Papa und Mama hielten sich die Tatzen vor den Mund. Ich machte es auch, so kratzte es nicht ganz so sehr in meinem Hals und ich konnte das Husten unterdrücken. Da war aber auch wieder der süßlich beißende Geruch nach verbranntem Fleisch.
Wir standen auf dem Dorfplatz, überall stieg Rauch auf. Es knisterte in der Luft, der Boden war schwarz.
Neben uns befand sich ein Haufen mit Gerümpel. Alles war schwarz und lief in sich zusammen. Ich dachte, es sei Holz mit anderen Zeug, aber etwas sah aus, wie ein verkohlter Körper. Ich konnte den Kopf erkennen, auch wenn die Augen, Nase und Mund ausgebrannt waren.
Mein Herz raste, wie ich das sah. Wie hypnotisiert zog der Haufen meine Blicke auf sich.
»Geht zurück!«, flüsterte Papa und machte eine Geste mit seiner Pfote. Ich konnte nicht, es war, als ob der Boden meine Füße festhält.

Dann stöhnte es aus einer Ecke. Ich drehte mich in die Richtung. Unter einem Haufen verbrannter Balken, Türen und anderem Kram sah ich, dass sich etwas bewegte. Ich schaute genauer hin, dort lag ein schwarzer nackter Körper. Die Augen waren rot, er knurrte vor sich her, mit der Tatze kratzte er auf dem Boden. Er wollte hervorkriechen.
Mama übergeben sich. Auch mir zog sich der Magen zusammen. Immer wieder musste ich würgen, konnte aber nicht brechen. Der Körper des Wesens war verkohlt, er hatte keine Beine mehr.
Mama nahm mich sofort und drehte mich weg. Es war zu spät, ich hatte alles gesehen.

»Hab ich euch gefunden!«, knurrte es hinter mir. Dieses tiefe Schnauben, das Bellen kannten wir von vorletzter Nacht. »Glaubt ihr, ihr könnt mir entkommen? Ihr seid Abschaum, ihr werdet jetzt genauso enden, wie die!«
Seine Stimme war voller Hass. Ich drehte mich um, um ihn zu sehen. Sein Fell war ruppig, an einigen Stellen klebte vertrocknetes Blut, aus kahlen Flecken klaffte helle Haut hervor. Wir gingen langsam, einen Schritt nach dem anderen nach hinten. Mama schluchzte. »Bitte, bitte tut uns nichts«, flehte sie ihn an.
»Ihr werdet alle jetzt sterben!«, bellte das Vieh uns an.
»Dann nehmt uns, aber lasst die Kinder gehen. Lasst sie in Frieden!«, winselte sie ihn an.
»Euch nehmen und diese Brut fliehen lassen? Sie gehen lassen, auf dass die sich vermehren? Niemals! Wir werden euch ausrotten. Nie wieder wird es so was wie euch auf dieser Welt geben. Ihr seid die Ausgeburt des Teufels selbst. Wir werden euch unterjochen und am Ende töten!«
Ich glaubte, ein Lachen in der Stimme zu erkennen. Mein Fell sträubte sich. Es machte mich wütend, wie er sprach. In meinem Bauch wurde es warm, ich spürte, wie die Wärme durch meinen Körper fuhr. Mir wurde heiß, ich begann zu hecheln. Diese Hitze, die sich in mir auftat, kannte ich nicht. Mein ganzer Körper fing an zu brennen. Alles tat weh. Mein Kopf, mein Leib, meine Beine, die Füße. Ich glaubte sogar, diese Hitze in jedem einzelnen Haar meines Felles zu spüren. Ich hörte Mama und Papa hinter mir rufen. »Ozeana!« Asiel begann zu schreien. Dann sah ich zu meinen Händen runter. Sie glühten, Flammen stiegen empor. Es war so hell. Ich schrie, wollte weglaufen. Vor dem Feuer, das sich um mich bildete, wegrennen. Was war das? Was ist das? Hatte mich wer angezündet? Alles um mich herum war unerträglich heiß. Aber irgendetwas schien mich vor diesem Feuer zu beschützen. Als wäre da eine Paste. Ich wusste nicht, woher das kam, aber es war da.
Ich stand vor dieser Bestie, streckte meine Hände aus.
»Was ist mit dir?«, bellte der Wolf. Angst bildete sich in den schwarzen Augen. »Was machst du da? Du bist eine Ausgeburt … .«

Es war dunkel, ich merkte, wie etwas sanft über meine Stirn streichelte. Langsam öffnete ich die Augen. Mir war schwindelig, ich sah alles verschwommen. Allmählich erkannte ich Mama, die über mir gebeugt war und mich anlächelte. Tränen kullerten an ihren Wangen herunter und tropften mir ins Gesicht.
»Was ist passiert?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. Ich konnte mich an nichts erinnern. Ich versuchte aufzustehen, alles tat mir weh, als hätte ich mich noch nie bewegt. Meine Erinnerungen waren wie weggewischt.
Ich versuchte, mich aufzurichten, sah meine Hände an. Ich erschrak. Kleine Blitze wanden sich um meine Finger. Sie flackerten auf und verschwanden wieder zugleich. Ich sprang auf, schrie: »Macht das weg!« Ich schüttelte meine Hände, um die Würmer, die dort lang krochen, abzuschütteln, doch sie blieben an ihnen kleben.

»Beruhige dich Ozeana!«, schimpfte Mama. Ich zeigte ihr meine Hände. Sie sah mich mit gerunzelter Stirn an. »Was?«, fragte sie. »Da ist nichts.«
Sie taten nicht weh, sie kitzelten nicht. Hatte ich es mir eingebildet?
Mama hielt mir die Tatze und drückte mich an sich. Ich weinte. Papa und Asiel liefen zu mir und streichelten mich. »Alles ist gut«, sagte er und umarmte mich fest an sich. »Alles ist gut.«
Mir fiel dieser Traum ein, den ich eben hatte. Ein Wolf stand vor mir, er wollte uns töten. Ich spürte, wie Hitze in meinen ganzen Körper kroch und mich entflammte. Ich sah meine Hände glühen und wie Flammen aus ihnen wuchsen. Aus meinen Tatzen schossen Feuerbälle auf den Wolf. Er fing sofort Feuer. Er schrie, bellte, jaulte. Diese Schreie brannten mir in den Ohren. Dann fiel er zu Boden und ein verkohlter Klumpen blieb übrig. Es war grauenvoll.

Ich löste mich von ihnen, sie nickten mir zu. Dann schaute ich um mich. Dort stand ein fremder Volpur. Es war ein Mann, sein Fell leuchtete orange. Er nickte mir zu: »Du hast uns das Leben gerettet.«
Was meinte er damit? Ich schüttelte den Kopf. »Was habe ich getan?«
Sie erzählten mir, was geschehen war. Ich konnte mich an nichts mehr erinnern. »Aber, das war doch ein Traum?«, entgegnete ich.
»Nein, das war es nicht.«
Ich sah meine Hände an. Die Würmer waren weg. Ich sah in Mamas Augen. Sie nickte mir zu.
»Das war Magie«, sagte der Fremde.
Mama guckte mich an. »Ich weiß nicht, was du gemacht hast, aber du hast uns das Leben gerettet.«
»Du kannst mit Magie umgehen. Hast du Bücher darüber gelesen?«
Ängstlich schüttelte ich den Kopf. »Nein«, antwortete ich leise.
»Hast du schon mal so was gemacht?«, fragte er weiter.
»Nein.«
Ich wollte, dass sie aufhörten, solche Fragen zu stellen. Ich weiß nicht, was passiert war. Ich konnte es mir nicht erklären. Ich habe jemanden getötet. Auch wenn es ein Wolf war, so fühlte ich mich bei dem Gedanken schlecht. Ich wusste nicht, ob es richtig war, was ich getan habe.
Ich habe Angst, dass es wieder passiert, dass ich dann Mama oder Papa verbrenne. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was ich getan habe. Ich weiß es nicht ….

Der Fremde stellte sich mir als Eiron vor. Sie hatten ihn unter Trümmern in dem Dorf gefunden.

Eine Träne fiel auf das Blatt


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