Villa Rühl

Jabroot wurde zum Fensterputzen zu der Villa Rühl in Kassel gerufen. Er stieg aus seinem Fiat Cinquecento aus. Schwüle lag in der Luft. Der Sommerhimmel hatte sich bereits mit Wolken zugezogen. Aus dem Kofferraum nahm er den Wischer und seinen Eimer voll Schaumwasser. Er ging zum Haus und klingelte wie immer drei Mal.
DingDingDong
DingDingDong
DingDingDong
Schallte es aus dem Haus.
Da öffnete ihm auch schon die Gräfin zu Hohenberg-Siebenschnabel die Tür und begrüßte ihn. Sie hatte ihre Sonnenbrille auf, unter dem weiß-geblümten Kopftuch schauten goldblond-gelockte Haare heraus. Sie trug beige Sachen und weiße Lederhandschuhe. Ihr Schuhe klackerten auf dem Boden. Ein aufdringliches Deodorant lag in der Luft.
Sie nahm ihn und zog ihn sofort ins Haus. »Ach Jabroot«, sagte sie aufgeregt. »Ich werde einen Ausritt mit meinem Auto machen. Mein Mann Friederich ist im Haus. Bitte kümmer du dich doch um die Fenster. Ich bin bald wieder zurück.«
So lief sie von dannen. Ein Grollen, wie das, von Steinen, die einen Berg herabsausten, war in der Luft zu hören. Der Himmel wurde dunkler.
»Jabroot?«, rief es aus einem der Zimmer. »Kannst du mal kommen?«
»Ja«, antwortete er. »Wo eh sinssie Meisser?«, fragte er. Und lief den Gang entlang zu einer offenstehenden Tür. Da kniete verzweifelt der Hausherr in seiner Samthose und dem weißen Hemd vor der Toilette. Er zeigte hinein. Es plätscherte.
»Jabroot sie läuft.« Der Fensterputzer sah, die rote Stirn des Mannes. Er beugte sich nach vorn, dann zog er die Verkleidung von der Wand ab, die den Spülkasten versteckte. Er sah hin.
»Is sie gloggehebedichtun.«
Der Mann nickte.
Jabroot fummelte ein wenig an der Plastik herum. Dann hörte das Plätschern auf. »Läufe nich mehr jetz.«
»Geht es wieder?«
Jabroot nickte. Im selben Augenblick flackerte die Lampe kurz. Ein lauter Knall. Jabreoot erschreckte sich.
»Oh Gott, meine Frau Angelika ist mit dem AMG-GT Caprio unterwegs. Das schöne Auto«, jammerte der Hausherr.
Jabroot wollte in den ersten Stock zum Fensterputzen gehen.
»Wo willst du hin?«, fragte ihn der Hausherr.
»Muss äh doche putze, dee Fensser.«
Der Graf schüttelte den Kopf. »Nein, nicht bei dem Regen. Komm.« Er machte eine Geste ihn zu folgen. Gemeinsam gingen sie in den Wintergarten, auf dem der Regen wie kleine Bomben einschlug.
Jabroot blieb stehen. Ihm wurde bei dem Geräusch unwohl.
»Was ist? Los komm!«
»Nichs, ich nichs kann.« Er schaute nach oben, wie der Regen darauf prasselte.
»Da passiert schon nichts«, sprach Graf Friederich.
Der Hausherr ging zu der Anrichte, stellte zwei Gläser drauf und goss aus der Karaffe aus Bleikristall in beide, braunen Alkohol.
»Iche nix dringe.«
Der Mann hielt ihm das Glas hin. »Ach komm, einer geht. Dann drückte er ihm eine Zigarre in die Hand.«
»Nichd rauche. Muss putze, dee Fensser obe«
Der Graf winkte ab. »Das wird heute nichts mehr. Das regnet. Komm, wir trinken einen.«
Sie stießen an. Jabroot schaute unglaubwürdig in das Glas. Er nahm einen Schluck. Es schmeckte ekelhaft, es brannte ihm im Hals, bis zum Bauch hinunter. Er musste sich die Augen zukneifen.
»Ist gut, was?«, fragte der Hausherr.
Jabroot wusste nicht, wie er darauf antworten sollte. Er nickte.
»Woher kannst du Toiletten reparieren und das ganze andere Zeug?«, fragte ihn der Mann.
»In Heimat, ich gemachd habe Psychik.«
»Psyche? Du warst Psychologe? Was hat das mit einer Toilettenspülung zu tun?«, fragte der Graf ungläubig.
Jabroot winkte ab. »Nicht Sycheloge. Syphik.«
Der Mann dachte nach, indem er sich die Hand mit seiner Zigarre an den Kopf hielt und zu Decke schaute.
»Ach, Physik?« Er zeigte mit der glühenden Stelle der Zigarre auf ihn.
»Genau! Ich schdierd habe Syphik.«
»Das heißt Physik«, ermahnte ihn der Graf. »Sprich mir nach: Füüü-sssiiiiii-kkkkk.«
»Süfick!«, antworte Jabroot.
Der Graf fing laut an zu lachen. »Den hat jetzt die Gräfin mit ihrem 27-jährigen Medizinstudenten!«
Da knallte plötzlich die Haustür. Der Graf sprang auf, die Gräfin stand in der Tür. Ihre Haare waren strähnig, das Kopftuch vom Regen durchnässt.
»Er hat mich sitzen gelassen«, heulte sie.


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